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Verschwindend – Crailsheim, von Torsten Bartsch

Leszek Skurski wurde 1973 in Gdańsk, Polen geboren.

Er studierte dort von 1992 bis 1997 an der Akademie der Bildenden Künste Malerei und Grafik-Design. 1995 erhielt er den Kunstpreis des polnischen Kultus- und Kunstministeriums. Beide Studiengänge schloss Leszek 1997 mit einem Diplom mit Auszeichung ab. Schon 1996 fand seine erste Ausstellung in Deutschland statt – in der hessischen Rhön – in der Kunststation Kleinsassen. Seit 1999 lebt er mit seiner Familie in Deutschland, in Dirlos in der Nähe von Fulda, seit 2008 sind wir Nachbarn.

Gemeinsam mit seiner Frau Joanna Skurska, mit Rudi Neuland und Anna Will gründete Leszek 2006 in Fulda die Red Corridor Gallery, und 2014 zog die Galerie nach Dirlos in einen eigens errichteten Neubau. Leszeks Ausstellungstätigkeit hat sich beständig erweitert. Kunstmessen und Ausstellungen führten ihn z.B. nach Köln, Nürnberg, Berlin, in die Niederlande, die Schweiz, nach Belgien, Schweden, Frankreich, in die USA oder nach Singapore. Er wird national und international durch verschiedene namhafte Galerien vertreten, in Deutschland beispielsweise durch die Nürnberger Galerie Von und Von. Und nun „Verschwindend“ hier in Crailsheim. Nach der Bedeutung dieses Titels befragt, meint der Künstler: Zum Teil scheinen meine Figuren im Bild zu verschwinden, wenn das so weiter geht, bleibt am Ende nur noch ein weißes Bild. Sie sehen, so weit ist es noch nicht gekommen. Die Werke der Ausstellung bilden ein breites Spektrum von Leszek Skurskis Schaffen ab. Sie ergänzen sich und erzählen so gemeinsam eine Geschichte über den Maler, seine Art zu malen und die ihm wichtigen Themen.

Bevor sie sich selbst einen eigenen Eindruck verschaffen können, möchte ich an einigen wenigen konkreten Werken der Ausstellung versuchen zu erläutern, worin für mich die Faszination seiner Bilder besteht. Ich habe mir die Werke ausgesucht, da sie meines Erachtens prototypisch das verkörpern, was Leszeks Malerei ausmacht.

Betrachten wir zunächst World’s Unity.

Um das Gemälde mit seiner eindrucksvollen Größe insgesamt erfassen zu können, müssen wir es natürlich zunächst aus gebührender Distanz betrachten. Der Blick fällt dabei sofort auf eine schwarze Rückenfigur im oberen Drittel, um von dort zu den anderen Figuren im Bild zu wandern. Wir erkennen: eine Gruppe von Menschen läuft uns in großem Abstand voraus, zerstreut und vereinzelt sich, verschwindet im Bildhintergrund, wird verschluckt vom sie umgebenden Weiß. Man hat den Eindruck, die Szene eher zufällig, distanziert zu beobachten. Es wird ein Augenblick festgehalten, der im nächsten Moment schon wieder vorbei ist. Das Spezifische der Handlung scheint sofort erkennbar durch genau erfasste Bewegungen und typische Haltungen der Figuren. Die Figuren selbst bleiben anonym. Ihre Gesichter sieht man nicht. Das wirft natürlich Fragen auf: – Wer sind diese Menschen? Wohin sind sie unterwegs? Lassen sie uns zurück? Laufen sie vor etwas davon? Eine Einordnung fällt schwer. Ein konkreter Ort lässt sich aufgrund fehlender Hinweise im weiten, monochrom weißen Umraum der Figuren nicht festmachen. Diese weiße Fläche der Bilder verändert sich, je länger man sie betrachtet und auch je näher man tritt. Sie wird immer unruhiger, verwandelt sich in ein Rauschen verschiedener Weißabstufungen, in Gebirge aufeinander getürmter Farbschichten. Man kann erahnen, wie hart um eine Bildlösung gerungen wurde. Hier wurde die Farbe dick und pastos auf die Leinwand aufgebracht, mit dem Spachtel zu Wülsten und Haufen verschoben, an anderer Stelle wieder wird die Farbe weggekratzt, so dass die Leinwand darunter zum Vorschein kommt, wie eine Wunde. Auch die Figuren verändern sich. Man erkennt ihre Zusammensetzung aus verschiedenen Farbflecken, Pinselstrichen, Tupfen. Was bei entsprechendem Abstand eine figürlich-gegenständliche Darstellung bildet, verwandelt sich beim direkten Davorstehen in ein abstraktes Gefüge unterschiedlicher Grauwerte. Figur und Grund durchdringen einander. Ist das die Einheit, Einheitlichkeit, Geschlossenheit der Welt – World’s Unity? – Wohl eher nicht.

Sowohl der Untergrund scheint hier ziemlich brüchig als auch der Zusammenhalt der Gruppe recht fragil zu sein. Beim Betrachten der Werke werden Sie feststellen, es sind alltägliche Situationen, die Leszek schnörkellos und unprätentiös darstellt, ganz im Sinne Max Liebermanns, der sagte: Eine gut gemalte Kohlrübe ist mir lieber als eine schlecht gemalte Madonna.

Jedoch werden die Szenen aus ihrem konkreten Kontext genommen. Meist fehlen Details der Umgebung – da ist scheinbar nichts – zunächst. Denn diese, die Figuren umgebende Leere eröffnet uns die Möglichkeit der Kontemplation. Sie lädt uns ein, die Geschichte um den abgebildeten Moment selbst zu erfinden. Leere ist Raum und Raum ist auch Leere. Wir als Gegenüber verwandeln die Szene durch unsere Vorstellungskraft in den Ort, an dem sich die Figuren im Bild für uns befinden sollen. Behutsam lenkt Leszek unsere Assoziationen und gibt uns, sehr spärlich nur, einige Hilfen, die es uns ermöglichen, den Zusammenhang zu erfinden – hier ein mit dem Pinselstiel aufgerissener krakeliger Grat, da eine Diagonale, dort ein entsprechender Farbfleck.

Bei einigen der ausgestellten, kleinformatigen monochrom-weißen Bilder sind allerdings mehr Details ausgearbeitet, z. B. bei Schulweg oder Art Room. Personen sind deutlicher erkennbar. Auch hat Leszek hier den Bildraum stärker betont, durch ein Gefüge von Linien eindeutiger definiert. Häufig sitzen, stehen, handeln die Figuren darin mit großem Abstand zu uns, distanziert, für sich. Sie scheinen gefangen oder verloren in der sie umgebenden Leere des Raums. Manchmal blicken sie uns auch an, so als ob sie sich durch uns gestört fühlten. Dann wieder, wie in Übernahme, fungieren diagonale Linien als ein klar definiertes, festes Raster, das die die Personen hält und Vorder- mit Hintergrund verbindet. Und immer noch bleibt die Frage … Wer sind diese Figuren, was tun sie und warum? Was verbergen sie vor uns?

Die ausgestellte Auswahl an Bildern zeigt, in welchem Spannungsfeld sich Leszeks Malerei bewegt – zwischen der Andeutung einer Illusion von Dreidimensionalität und möglichst spannungsvoller Gestaltung der reinen Bildfläche, im Grenzbereich von figürlicher Malerei und gegenstandsfreier Abstraktion. Noch deutlicher wird dies bei den Werken, in denen mehrere Farben Verwendung finden. Farbe wird als abstraktes, rein malerisches Mittel eingesetzt, zuweilen auch, um der Illusion von Räumlichkeit entgegenzuwirken, räumliche Tiefe zu zerstören, Zweidimensionalität und Flächigkeit zu betonen, wie in Polish Riot. Bei der Gestaltung der farbigen Flächen spielt, so der Künstler, auch der Zufall eine Rolle. Dabei versuche er den Zufall zu steuern, damit das Bild stimmig wird.

Dieses abstrakte, schwingende, brodelnde Farbchaos wird bei Designated dann allerdings zusammengehalten durch die deutlich erkennbare Figurengruppe. Erst durch sie deuten wir die dominante Waagerechte sowie den Farbverlauf von Orange-Rosa zu Gelb als Bildraum und erschaffen in unserem Kopf eine Unterteilung in Vorder- und Hintergrund. Der Künstler selbst erklärt das etwas drastischer: Ohne die Figuren wäre das Bild einfach zu fleischig, zu sehr ein Mettwurstbild.

Die Wechselwirkung zwischen figurativer Malerei und abstrakter Formgebung wird besonders eindrucksvoll deutlich an Obergrenze Eine Gruppe von Menschen schaut uns an, schemenhaft, gesichtslos, durch starkfarbige Akzente in Gelb, Orange und Rot hervorgehoben. Offensichtlich sitzen sie, eng aneinander gedrückt, im Kreis auf einer Art Wasserfahrzeug. Und so wird dieses, das Boot umgebende, bewegte, grünlich-bläuliche Farbtosen zum brodelnden Meer welches droht, die für uns nun klar als Flüchtlinge zu identifizierenden Figuren zu verschlingen. Bei einigen Personen im linken Bildteil scheint das sogar schon geschehen zu sein, da sich hier die Farben von Hintergrund und Figuren miteinander vermischen. Man erinnert sich an Theodore Gericaults dramatische Schilderung eines Schiffbruchs Das Floß der Medusa Im Unterschied dazu taucht bei Leszek allerdings ein wichtiges Detail nicht auf – das Schiff am Horizont als Zeichen der Hoffnung auf Rettung. Im Gespräch fiel jedoch der Name Eugene Delacroix. Und tatsächlich existiert im Metropolitan Museum of Arts in New York ein viel kleineres Bild dieses Künstlers, welches in seiner farblichen Komposition dem von Leszek ähnelt. Christus schlafend im Sturm auf dem See Genezareth. Auch in diesem Werk umtosen wütende Wassermassen in wogenden Blautönen das starkfarbige Zentrum des Bildes – ein Boot mit Christus und seinen Jüngern – und drohen es zu verschlingen. Das Gelb von Christus Gloriole bildet bei Delacroix den ruhenden Bildmittelpunkt. Christus schläft, weil er sich sicher in Gottes Hand weiß – – – und die Leute auf dem Floß oder Boot? Wie lange hält ihr Gefährt den Wellen noch Stand? Funktioniert der Außenbordmotor noch? Ist alles schon verloren? Wieviel an Anstrengungen und Entbehrungen kann man ertragen? Fragen nach diesen Grenzen stellt man sich lange bevor man den Titel liest, Obergrenze welcher dann in diesem Kontext mehrfach deutbar ist.

Leszek Skurski geht es um die spannungsvolle Gestaltung der Fläche – die Konstruktion eines abstrakten Bildraumes. Seine Figuren sind stark vereinfacht und durch die Betrachter einmal mehr, einmal weniger eindeutig als Menschen bei bestimmten Tätigkeiten zu identifizieren. Dennoch sind sie stets erkennbar weil auf das Wesentliche reduziert. Die sparsame Zeichenhaftigkeit der Figuren und das bei vielen Werken Leszeks zu beobachtende Diffuse der Umgebung verleihen seinen Bildern gleichzeitig eine gewisse Flüchtigkeit. Die Vergänglichkeit des Augenblicks ist somit – zumindest für mich – ein Thema in Leszeks Malerei. Außerdem ist er ein gekonnter Verführer unseres Betrachterauges. Einige Figuren im Bild sind sehr detailreich ausgearbeitet, denn natürlich benötigen wir einen Einstieg. Dieser Orientierungspunkt ermöglicht uns, die stärker abstrahierten Passagen in den Kontext der Darstellung einzuordnen, ja sogar fehlende Teile zu ergänzen. So können wir das Bild gedanklich vervollständigen. Die dargestellten Personen werden durch Abstraktion zwar anonymisiert – aber nicht zur Beliebigkeit. Vielmehr bietet sich hier die Möglichkeit einer Annäherung durch die Rezipienten, vielleicht auch einer Identifikation. Thematische Anregungen zu seinen Bildern findet Leszek Skurski durch genaues Beobachten seiner Lebensumgebung. Dies schließt seinen Alltag private Urlaubsreisen und persönliche Erlebnisse genauso ein wie die Welt der Medien und tagespolitische Ereignisse, mit denen sich der Künstler konfrontiert sieht. Indem er diese Augenblicke sammelt und aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herauslöst, verleiht er ihnen eine Symbolik über die konkrete Situation hinaus. Leszek gelingt es, durch die Abbildung beinahe banaler Szenen Fragen über das Menschsein an sich und den Sinn und den Charakter unseres Zusammenlebens zu stellen. Dies geschieht jedoch niemals belehrend und keineswegs banal, immer spannungsvoll, präzise beobachtet und oft mit großer Leichtigkeit vorgetragen, einer Leichtigkeit, welche die Leidenschaft und Anstrengung der bildnerischen Auseinandersetzung fast vergessen machen. Leszek beschreibt diesen Prozess so: Es ist eine Herausforderung. Und ich muss es ja lösen, ich muss es hinkriegen, da gibt es keinen anderen Weg für mich heraus. Ich kann nicht sagen, na gut, ich habe es wenigstens versucht, aber es hat halt nicht funktioniert. Ich tue das doch nicht als Therapie oder zur Entspannung. Ich muss die Situation bewältigen, denn es ist ja meine Arbeit. Manchmal ist das so unangenehm wie zum Arzt gehen. Es geht auch darum, dem Anspruch, den ich an mich selbst habe, gerecht zu werden. Ich möchte mich ja auch weiterentwickeln. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und viel Vergnügen bei ihrer kreativen Auseinandersetzung mit Leszeks Skurskis Kunst…

Torsten Bartsch

Leszek Skurski – Standbilder, von Dr. Christine Jung

Eine weite, scheinbar grenzenlose Ebene bildet den Grund für das Geschehen: Wie aus dem Nichts tauchen dunkle Gestalten auf der Bildfläche auf, sie treten gleichsam aus ihren tiefen Ebenen hervor, aus nuancenreichen Schichten in lichtem Weiß oder dunstigem Grau, die viel Raum lassen für ihre Präsenz, für ihre Geschichte. Der aus Polen stammende Künstler Leszek Skurski, der an der Danziger Kunstakademie studiert hat, widmet sich in seiner monochromen Malerei immer wieder der figurativen Erzählung. Er schildert in seinen Werken viele kleine und große Geschichten, die nach allen Seiten hin offen bleiben. Es sind Bilder des Stillstands, des Innehaltens und Verharrens in einer Handlung, aus einer Haltung heraus, die er in konzentrierter Form und narrativer Dichte einfängt. Viele sich verflüchtigende Augenblicke eines Daseins oder Miteinanders werden auf die Leinwand gebannt: wie Ausschnitte aus einer Sequenz, wie Momentaufnahmen zwischen ihrem Erscheinen und Verschwinden. So erinnern sie an Filmstills oder Standbilder, die einen Inhalt, einen Charakter oder eine Stimmung erschließen. Das heißt: Sie verweisen auf eine außerhalb der Darstellung begonnene und sich dort weiter fortsetzende Szene, die im Bild festgehalten wird, die hier sozusagen zur Ruhe kommt. In diesem Sinne konzentriert sich der Künstler heute, in den Zeiten der rasanten Informations- und Bilderfluten immer wieder auf das „eine“ Bild, das eine ganze Geschichte erzählt. Dabei zeigt er vieles aus der Ferne und rückt damit dem Geschehen besonders nahe. Er gibt seinen Gegenstand aus der Distanz in kleinen, mitunter unscharfen Ansichten wieder, die den Blick für das Gesamte, für das Konkrete schärfen. In den Werken von Leszek Skurski, die auf zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Europa, den USA und Südafrika zu sehen waren, steht immer wieder das Bild vom Menschen im Zentrum der Darstellung. Von Anfang an gilt sein Interesse dem ‚lebendigen Wesen’, zunächst noch in großer Form und starker Farbigkeit, in schemenhafter Körperlichkeit. Heute sind seine Figuren auf das Wesentliche reduziert: Auf eine verschwindend kleine schwarze Gestalt in ausdrucksvoller Haltung und Geste, herausgenommen aus ihrer Umgebung, wiedergegeben in einem Umfeld, das bisweilen nur fragmentarisch angedeutet ist, zumeist aber vollkommen ausgeblendet wird. Und zwar zu Gunsten einer weitgehend gegenstandsfreien Fläche, die sich in heller Malerei, reich an Schattierungen, auf der Leinwand ausbreitet. Vor allem die Nicht-Farbe Weiß, die zugleich die Summe aller Farben des Lichtes ist, nimmt in seinen Bildern einen zunehmend großen Raum ein: Sie wirkt hier in vielschichtiger Weise, offen für viele Projektionen. Denn das Weiße verkörpert nicht nur die Leere und das Nichts, die Stille oder das Schweigen, sondern auch das Geistige, nicht Greifbare, Unbekannte oder Unentdeckte: Etwas nicht Sichtbares, Abwesendes, das die Wahrnehmung sensibilisiert und auf das Anwesende verweist. Vor diesen Hintergründen konzentriert sich alles auf das Zentrum: auf die einzeln oder in Gruppen auftauchenden Protagonisten, die sich frei auf der Fläche bewegen und doch immer geerdet sind, die Raum nehmen und ihn gleichzeitig bilden. So treten sie in starken Hell-Dunkel-Kontrasten auf die Bühne des Lebens, einsam gemeinsam, isoliert von den anderen oder in enger Verbindung zueinander. Hier, in diesen abstrakten Welten erscheinen seine kleinfigurigen Szenen in variierenden erzählerischen Zusammenhängen, die sich je nach Perspektive offenbaren. Zu sehen sind verschiedene „wahr“ zu nehmende Szenen des Alltäglichen oder Nichtalltäglichen, die viel Bekanntes und Belangloses, aber auch Einmaliges oder Spektakuläres und Provokantes spiegeln. Sie zeigen unter anderem ein „Meeting“ und ein „Interview“, sie präsentieren ein „Date“, eine „Parade“ oder eine „Ankunft“ und sie stellen eine „Hilfe“ und eine „Warnung“ vor. Immer wieder kommen hier Bilderwelten zum Vorschein, die etwas scheinbar Unscheinbares, etwas Zwischenmenschliches wiedergeben und es gleichzeitig hintergründig hinterfragen. Szenen eines geselligen Beisammenseins oder der Isolation, der Entspannung oder Entfremdung, des Beobachtens oder Überwachens, des Vertrauens oder Verschwörens. In all diesen Bildern verdichtet sich eine Wirklichkeit, die von mehreren Seiten betrachtet werden kann. Sie alle zeugen von etwas Sichtbarem und lassen dabei viel Raum für das nicht Sichtbare. Gleichsam wie aus einer anderen Zeit, aus einem fernen Land und doch immer wieder zeit- oder ortlos wirken die Geschichten des in Deutschland lebenden und arbeitenden Künstlers. Sie erscheinen aus ihrem Zusammenhang genommen oder gerissen. Alles bleibt offen, ohne erkennbaren Ausgang. Nur Weniges, dafür aber Wesentliches kommt zum Vorschein als einer ersten „Information“, die sich erst in der Vorstellung des Betrachters weiterentwickelt: Ihren eigenen Anfang und ihr eigenes Ende nimmt.

Dr. Christine Jung

Brüchige Bündnisse, von Alexandra Chiari

Wie kann man die galoppierenden Veränderungen, die unsere Gesellschaften heute erfahren, greifbar machen? Welchen Stellenwert hat der Mensch in der heutigen Welt? Diese Fragen wirft Skurskis figurative Malerei auf, indem er beinahe nebensächliche Szenen aus dem Alltagsleben wiedergibt. Obwohl seine Arbeiten der gegenständlichen Malerei angehören, nähern sich die von ihm skizzierten Personen dem abstrakten Feld an. Sparsam werden isolierte Figuren oder Personengruppen auf große Bildräume projiziert. Die Darstellung konzentriert sich dabei auf banale Ereignisse, die scheinbar zufällig registriert werden: Sie zeigen Menschen bei Ihrer Berufsausführung, einen sportlichen Wettkampf oder Strandszenen; festgehaltene Zeitpunkte, die jedem aus dem eigenen Leben vertraut sind. Das Momentane der Situation ist gekonnt erfasst, der monochrome Hintergrund bleibt jedoch diffus, so als würde er auf eine Neudefinition warten. Die Figuren erwecken durch das nahezu gänzliche Fehlen vertikaler und horizontaler Strukturen den Anschein, in einer immensen Leere verlassen zu sein. Dabei kontrastieren die präzisen Züge der Sujets nachhaltig mit der sie umgebenden Unschärfe. Sie stehen außerhalb jeglichen chronologischen Rahmens und nichts scheint ihnen einen Halt oder eine Richtung zu geben. Und genau diese Leere hebt die Gegenwärtigkeit der Akteure auf den Bildern stark hervor. Sie sind durch ein Band oder einen sie verkettenden Pakt verwoben, was auf den Bildern durch Flucht, Kampf, Rivalität oder auch Vertrauen dargestellt wird. Ist die fehlende Klarheit des Umfeldes ein Zeichen dafür, dass es Grenzen und Begrenzungen nicht mehr gibt, und an dessen Platz eine vermeintliche schrankenlose Freiheit getreten ist? Oder ist es nicht vielmehr die Zuflucht in ein wechselseitiges Engagement, in eine dialektische Verbindung, die den Personen einen gewissen Zusammenhalt gewährt, während der ungenaue, schemenhafte Hintergrund unsere ständig im Wandel befindliche Welt symbolisiert, in welcher der metaphorische Kontext ausgehöhlt ist.

Alexandra Chiari